“Happiness is an inside job”
William Arthur Ward
TEXT: ANTONIE HERMSDÖRFER
Egoisten haben es meist nicht leicht im Leben. Ihnen eilt ein schlechter Ruf voraus. Egoisten seien Ich-bezogen, selbstverliebt, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Und wenn man sich die Definition im Duden dazu durchliest, wird auch klar warum: “[Haltung, die gekennzeichnet ist durch das] Streben nach Erlangung von Vorteilen für die eigene Person, nach Erfüllung der die eigene Person betreffenden Wünsche ohne Rücksicht auf die Ansprüche anderer; Selbstsucht, Ichsucht, Eigenliebe”. Das klingt hart. Der Begriff “Ego” stammt aus dem Lateinischen und bedeutet “Ich”. Egoismus ist also eine “Ich-Bezogenheit”. So aber sind wir, wenn wir geboren werden. Wir alle kommen als Neugeborenes egoistisch zur Welt. Babys holen sich, was sie brauchen. Sie können ihre eigenen Bedürfnisse noch nicht erfüllen. Das nennt man primären Egoismus. Und der ist für Neugeborene lebensnotwendig. Egoismus als Überlebensstrategie. Werden ihre primären Bedürfnisse nicht erfüllt, sterben sie.
Erst ab einem gewissen Entwicklungsprozess lernen wir (zumindest hoffentlich!), dass andere Menschen anders fühlen und denken als wir selbst. In der Quintessenz bedeutet das für viele, dass sie ihre Bedürfnisse aus den Augen verlieren und die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen Stellen. Das hat viel mit unserer Erziehung und Gesellschaft zu tun. Wenn man als egoistisch bezeichnet wird, gilt das als Beleidigung. Das lernen die meisten schon als Kinder. Wer aber zu wenig an sich denkt, der schadet sich selbst auf lange Sicht. Man brennt aus. Auch wird das eigene Selbstwertgefühl dadurch immens geschwächt. Und damit hilft man nicht sich selbst, anderen schon gar nicht. Ein Teufelskreislauf also, aus dem man ausbrechen muss.
Was ist also die richtige Dosis Egoismus?
Das kann man natürlich nicht pauschal beantworten. Als generelle Faustregel kann man aber festhalten: Gesunder Egoismus nimmt keine Überhand an und vor allem schadet es keinem anderen. Mit einem gesunden Egoismus achtest du auf dich selbst und nimmst deine Bedürfnisse wahr. Das führt dazu, dass es dir selbst gut geht und du selbstbewusster durchs Leben gehst. Dadurch hast du mehr Energie - und erst dann kannst du für andere da sein. Gesunder Egoismus ist also stark mit Selbstliebe verbunden.
Die Grenze zum ungesunden Egoismus ist dann erreicht, wenn andere Menschen ausgenutzt, missbraucht und übergangen werden. Wenn man anderen seinen Willen aufzwingen will. Wenn einem die Meinung und Gefühlswelt der anderen schlichtweg egal sind. Wie bei allem im Leben ist also weder das eine noch das andere Extrem gesund.
Die gute Nachricht ist: Man kann gesunden Egoismus trainieren. Dazu gibt es einige Übungen.
Das Allerwichtigste ist, dass du deine Bedürfnisse wahrnimmt. Was möchtest du, wie fühlst du dich, was hat gerade bei dir Priorität? Dieser erste Schritt fällt vielen schon schwer. Im Laufe unseres Lebens verlernen viele den Zugang zu sich selbst. Wir müssen also den Zugang zu uns selbst stärken. Und da können Atemübungen und Meditation extrem hilfreich sein.
Eine powervolle Übung, die vielen schwerfällt: Lerne “nein” zu sagen! Ein Ja für sich selbst ist häufig ein Nein zu anderen. Und das stößt erstmal auf Gegenwehr, wenn dein Umfeld das nicht von dir gewohnt ist. Bleib konsequent! Außerdem musst du dich nicht rechtfertigen. Ein “Nein” ist ein ganzer Satz. Basta.
Viele trauen sich nicht, zu ihren Bedürfnissen zu stehen, weil sie Angst vor der Meinung anderer haben. Die Gedanken anderer kannst du weder wissen, noch weniger kannst du sie kontrollieren. Und die meisten Menschen sind viel mehr mit sich selber beschäftigt, als dein Verhalten zu analysieren. Für ein selbstbestimmtes Leben musst du also lernen, dich aus dieser Gedankenspirale zu verabschieden und zu dir zu stehen. Lerne, zu deinem authentischen Ich zu stehen und es lebt sich wesentlich leichter!
Die wichtigste Beziehung, die wir in unserem Leben führen, ist die Beziehung zu uns selbst. Du bist schließlich der einzige Mensch, mit dem du jede Sekunde deines Lebens verbringst. Deshalb achte gut auf dich und arbeite an der Beziehung zu dir selbst. Auch wenn Beziehungen zu anderen wichtig und schön sind, gilt eines: Der einzige Mensch, der dich glücklich machen kann, bist du!
Menschen, mit einem gesunden Egoismus, einer guten Portion Selbstliebe sind nicht nur erfolgreicher und glücklicher im Leben. Erst dadurch können sie auf lange Sicht auch erst wirklich und nachhaltig für andere da sein. Und was könnte glücklicher machen?
Damit schließt sich der Kreis.
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