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Writer's pictureToni Herms

“Glück ist etwas, das einem geschenkt wird”



Alle Menschen empfinden eine tiefe Sehnsucht nach Glück. Doch was ist Glück eigentlich? Unsere Autorin Antonie Hermsdörfer hat mit dem Hamburger Glücksforscher Peter Wippermann über Glück an sich, das Leben in der Corona-Pandemie und Strategien für mehr Glück im Alltag gesprochen.  Ihre Erkenntnis: Es kommt auf die Perspektive an.


Herr Wippermann, fangen wir mit der großen Frage an: Was ist Glück überhaupt? Und kann jeder eigentlich glücklich sein?

Ich würde den Begriff “Glück” gerne unterscheiden. Im Englischen unterscheidet man zwischen “Luck” und “Happiness”. “Luck”, also sozusagen ein Glückszufall, auf den hat man keinen Einfluss. Ein Gewinn im Lotto etwa. Das Spannende aber ist “Happiness”.  Also Lebenszufriendheit. Darauf haben wir sehr wohl Einfluss. Dabei geht es um die Frage, wie wir unser Leben und unseren Alltag zufrieden gestalten können. 


Und wie gelingt einem das? Was können wir aktiv für unser Glück tun?


An dieser Stelle möchte ich drei Dinge nennen. Erstens: Prioritäten setzen. Man muss sich bewusst machen, was einem wirklich wichtig ist. Dabei ist es ganz egal, um welche Art von Prioritäten es sich handelt. Wichtig ist aber, dass man nicht zu viele Prioritäten hat - dann wären es schließlich auch keine mehr. Wenn man das für sich herausgefunden hat, ist das schon mal eine gute Ausgangsbasis. Zweitens: Man sollte sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Etwas Neues ausprobieren. Mutig sein. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass es vielleicht nicht gelingt. Nach vorne gehen und weiterentwickeln. Und das Dritte, was in jeder Situation hilfreich ist: Sich Zeit für sich nehmen. 


Wie viele Prioritäten sollte man maximal haben?


Das ist ganz unterschiedlich. Wichtig ist aber, dass man nicht nur eine Sache hat, auf die man sich konzentriert. Nicht nur Beziehung, Karriere oder Kinder. Man sollte mehrere Punkte haben, die sich gegenseitig immer wieder in Balance bringen. Dass die Belastungen, die man in einem Feld hat, konterkariert werden durch Spannungen in einem anderen Feld. 


Oft verharren wir in unseren Mustern. Wie kann man aus diesen Routinen ausbrechen?


Jeder von uns ist in einer Stresssituation, wenn es langweilig wird. Das ist ein guter Hinweis darauf, dass wir eigentlich sehr neugierige Wesen sind. Das muss man akzeptieren. Das Problem ist das Prokrastinieren, also das Hinausschieben von Dingen. Das hängt auch damit zusammen, dass ich das Gefühl habe, ich könnte scheitern. Ich bleibe lieber in dem Bereich, der mir vertraut ist, in dem ich mich sicher fühle. Dabei ist das Scheitern eine wichtige Erfahrung und gehört zu unserer Entwicklung dazu. Das muss man sich bewusst machen. 


Aus aktuellem Anlass:  Was sagen Sie zu Krisen? Steckt in jeder Krise auch eine Chance persönlich zu wachsen?


Da können wir natürlich aktuell alle mitreden, weil wir seit über einem Jahr in einer Krise sind. Man kann nicht immer nur Sonnenschein im Leben haben. Das wäre auch total langweilig. Eine Krise ist das Gegenstück zum Hochgefühl des Glücks. Und wir brauchen diese Abwechslung. Deshalb ist der Begriff Lebensfreude so wichtig.


Wie meinen Sie das? Was ist Lebensfreude für Sie?


Krisen sind erlebbar, bestreitbar, wenn man sie als Herausforderung annimmt. Und sie sollten nicht individuell als Strafe empfunden werden.

Auch hier ist die Perspektive ganz entscheidend. Lebensfreude kann ganz individuell definiert werden. Aber ich würde sagen, primär ist das eine optimistische Grundhaltung. Lebensfreude ist die Möglichkeit, eine Situation positiv zu interpretieren. Glück ist etwas, das einem geschenkt wird. Und Lebensfreude ist etwas, das jeder selber gestalten kann. 


Kann man eine optimistische Grundhaltung lernen?


Wir haben tatsächlich eine genetische Veranlagung mit Situationen umzugehen. Trotzdem bleibt ein großer Teil übrig, den man selber gestalten kann. Das ist das Interessante. Deshalb ist die Möglichkeit des Perspektivwechsels so wichtig. Dass man sich nicht als Opfer fühlt, sondern Verantwortung übernimmt. 


Stichwort Perspektivwechsel: Wie kann man seine Perspektive in Hinblick auf Lebensfreude verändern?


Man muss sich darüber im Klaren sein, was einem wichtig ist. Welche Menschen einem wichtig sind. Welche Erfahrung einem wichtig sind. Und die Dinge, die einem etwas bedeuten. Ich halte den Raum um Nachzudenken für besonders entscheidend. In diesem Kontext haben wir auch einfach ein Problem durch interaktive Medien. Diese geben uns ständig die Chance, nicht über uns nachzudenken. Sondern wir haben eine überproportional große Möglichkeit Input zu kriegen, ohne diesen Input verarbeiten zu müssen. Deshalb: Einfach mal abschalten. 


Drehen wir mal um: Was sind die größten Glücks-Killer?


Vereinfacht gesagt: Einen Maßstab zu haben, der einem nicht selber gehört. In den Momenten, wo man so sein möchte wie jemand anders. Die Momente, in denen man sich vergleicht. Und ständig versucht, den anderen zu simulieren oder sogar zu übertrumpfen. Dadurch kann man sich extrem unglücklich machen. Deshalb sind soziale Medien so gefährlich.


Was sind Ihre persönlichen Glücksmomente?


Ich hab das Glück, immer noch neugierig zu sein. Ich habe eine tolle Familie, das macht mich auch glücklich. Und ich freue mich darauf, wenn die Sonne wieder scheint (lacht).


Wie kann man Glück langfristig festhalten?


Glücklich sein ist ein Moment, in dem man gar nicht darüber nachdenkt, dass man gerade glücklich ist. Der englische Begriff “Flow” beschreibt das eigentlich ziemlich gut. Dass man nicht permanent glücklich sein kann im Leben, ist ja völlig klar. Aber die  Zielsetzung, dass man einen glücklichen Ausnahmezustand anstrebt, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man Lebensfreude hat. 


Was möchten Sie zum Schluss unseren Lesern noch mitgeben?


Für ein glückliches Leben ist eine Erkenntnis besonders wichtig: Selbstbestimmung. Einfach neugierig bleiben. Dinge beobachten, ausprobieren. Und sich Zeit nehmen für die Menschen und Dinge, die einem wichtig sind. 


Vielen Dank für das Interview Herr Wippermann. 






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