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Writer's pictureToni Herms

„Mein Leben ist ein Museum“

Als Fußballer hat Marcell Jansen (35) eine steile Karriere hinter sich.

Er war Fußballprofi und Nationalspieler. Mit nicht einmal 30 Jahren machte er

plötzlich Schluss. Heute ist „Cello“ Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender

des HSV, Gründer und beteiligt an Projekten im Health-Sektor.

Wir sprechen mit ihm über seine ungewöhnliche Transformationsgeschichte





Marcell, Du hast eine erfolgreiche Fußballkarriere hinter Dir. Mit 20 Jahren Nationalspieler, Du hast bei zwei Weltmeisterschaften und einer Europameisterschaft gespielt, warst Profi beim HSV, Borussia Mönchengladbach  und Bayern München. Wann hast Du eigentlich mit dem Fußballspielen begonnen?


Wann ich genau mit dem Fußballspielen angefangen habe, wissen wohl nur meine Eltern. Aber es muss sehr früh gewesen sein. Mit vier Jahren spielte ich jedenfalls schon in unserem Dorfverein, dort war mein Vater auch Trainer. Die Leidenschaft für den Fußball habe ich also wahrscheinlich von meinem Vater, der selbst früher ein guter Spieler war.


Hattest Du Idole?

Ich war immer sehr mannschaftsorientiert, deshalb waren weniger Spieler Vorbild für mich, sondern Teams.  Vor allem Mannschaften mit Charakter, die nach Niederlagen schnell wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden haben. Natürlich war auch der ein oder andere Spieler cool, aber am Ende waren es doch Teams , die mich begeistert haben. 


Lass uns einmal über Deine Fußball-Karriere sprechen. In welchen Vereinen hast du gespielt? 

Ich bin in Mönchengladbach geboren und habe zuerst in meinem Dorfverein SV Mönchengladbach 1910 gespielt. Von dort bin ich sehr früh zu Borussia Mönchengladbach gewechselt. Das war schon damals ein großer Verein.  Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt und die Jugend durchlaufen. Und  dort bin ich dann auch Profi und Nationalspieler geworden. Danach bin ich zu Bayern München gewechselt und dann zum Hamburger Sportverein. Beim HSV war ich mit Abstand am längsten, insgesamt sieben Jahre. 


Was sind Highlights Deiner Karriere?

Ganz klar, dass ich bei zwei Weltmeisterschaften und einer Europameisterschaft spielen durfte. Ich bin mit 20 Jahren Nationalspieler geworden, habe insgesamt 45 Spiele im DFB-Team gemacht.  In besonderer Erinnerung ist mir natürlich die WM 2006, die später alle Sommermärchen nannten. Ich war damals der jüngste Spieler im Kader und durfte 90 Minuten ran im Spiel um Platz drei - gegen Cristiano Ronaldo! Aber es gibt natürlich noch viele Highlights mehr. Etwa mein erstes Bundesligaspiel für Borussia Mönchengladbach 2004, die Meisterschaft und den Pokalsieg mit Bayern München. Unvergesslich für mich sind auch die Spiele mit dem HSV im UEFA-Cup und der Euroleague. Heute spiele ich der dritten Mannschaft des HSV und bin der älteste in der Mannschaft. Aber ich habe immer noch  riesig Spaß. 


Wie hart war der Trainingsalltag als Fußball-Profi?

Nach dem Frühstück geht es meist erst in den Kraftraum. Danach geht's auf den Trainingsplatz für rund zwei Stunden. Dann hat man etwas Zeit für Regeneration. Und natürlich wird dann auch wieder gegessen, um die Speicher auffüllen. Oft steht nachmittags auch noch eine zweite Spiel-Einheit auf dem Trainingsplan.


Worauf muss man als Fußball-Profi besonders achten?

Auf die Ernährung. Nicht nur im Hinblick darauf, dass einem die Ernährung Kraft und Power gibt. Sondern die Ernährung ist auch für die Regeneration entscheidend! Was mache ich nach einer hohen Belastung, um wieder schnell leistungsfähig zu werden. Ernährung spielt da eine zentrale Rolle. 


Ist Fußball-Profi wirklich ein Traumjob? 

Wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann,  also aus purer Leidenschaft,   dann ist es auf jeden Fall ein Traum. Aber generell muss man auch sagen, dass Leistungssport schon ein sehr hartes Geschäft ist. Gerade in der Jugend muss man auf vieles verzichten. Ich habe das aus der Liebe zum Fußball  gerne gemacht. Ich habe diesen Beruf geliebt! Aber es gibt natürlich auch Schattenseiten. 


Was meinst Du damit?

Man lebt in einer Blase. Spieler leben meist fernab von der Realität. Dabei geht es auch um die Frage, wie entwickelt man seine Persönlichkeit weiter. Das ist schon ein Problem, wenn man früh enorm viel Geld verdient und sich alles leisten kann. Aber es gibt noch etwas, das viele so nicht sehen: Man hat kein Hobby mehr. Du musst immer liefern, das ist dein Beruf, du musst immer besser sein als deine Konkurrenz. Das ist ein enormer Druck. Du musst schließlich den nächsten Vertrag kriegen, Du musst Dich so lange es geht auf dieser Bühne halten. 


Bist Du mal schwerer verletzt gewesen? 

Ja. Ich hatte zahlreiche schwere Verletzung. Knöchelverletzungen, Knieverletzungen, Schulterverletzungen.  Mit Operationen und allem drum und dran. Es war schon hart, sich immer wieder zurück zu kämpfen. Aber ich habe es geschafft. Und ich habe gemerkt: Mit starkem Willen kann man fast alles erreichen. 


Mentale Stärke ist also das Wichtigste?

Unbedingt. Talent haben viele. Aber die Frage ist und gilt nicht nur für Fußballer: Wer kriegt die PS richtig auf die Straße, wer kann vom Kopf her damit gut umgehen. Mentale Stärke bedeutet, dass Du ernsthaft, gewissenhaft und selbstreflektiert mit allen Erlebnissen umgehst. Privat oder im Beruf. Das ist mentale Stärke. Man muss lernen, das Glas immer halb voll zu sehen. Ansonsten funktioniert das Leben nicht. Wer nicht reflektieren kann, wird nie überdurchschnittlich erfolgreich sein. Wenn jemand das nicht anstrebt, sondern mit einem ganz normalen Leben glücklich ist, ist das natürlich auch total in Ordnung. Es muss keiner erfolgreich sein, nur weil man denkt, dass die Gesellschaft das verlangt, dass man jetzt unbedingt ein Fußball-Profi werden muss oder Millionär. Das ist völliger Blödsinn. Sondern man muss sich nach sich selbst richten, seinen Wünschen und Zielen. Und dann aber auch an die eigene Nase fassen und nicht nach Ausreden suchen. 


Du hast während Deiner Fußballkarriere schon eine Werbeagentur gegründet und in Startups investiert. Wie  kam es dazu?

Ich habe die Zeiten, in denen ich verletzt war, genutzt, um zu reflektieren und mich selber zu hinterfragen. Ich wollte mir die Frage beantworten, wer ich ohne Fußball sein möchte. Im Nachhinein haben mir also diese Verletzungspausen geholfen. Sie halfen mir bei meinem Transformationsprozess. Aber begonnen hatte es eigentlich schon früher. Ich hatte mit 21 Jahren gerade einen Vier-Jahresvertrag bei Bayern München unterschrieben und fragte mich: Lasse ich mich jetzt auch komplett vermarkten, wie andere Fußballer das tun? Ich kannte keinen, der das nicht machte. Und ich habe mich dagegen entschieden. Für mich fühlte sich das nicht authentisch an. 


Was hast Du gemacht?

Ich habe eine eigene kleine Firma gegründet. Kreativ war ich ja schon immer und auch visionär. Schnell bin ich so in die Gesundheitsschiene gekommen und habe die ersten lifestyligen Sanitätshäuser in Mönchengladbach gegründet. Ich wollte den Menschen eine Behandlung ermöglichen, wie sie Nationalspieler bekommen. Heute sind meine Schwerpunkte: Health, HealthCare, Lifestyle und Gesundheit. Ich wollte einfach etwas von meiner Privilegiertheit zurückgeben. Das ist dann meine Transformation zu mir.


Gab es dabei einen Schlüsselmoment?

Es gab mehrere Schlüsselmomente. Die Zeiten der Verletzungen, aber nicht aus Angst heraus, dass ich nicht mehr spielen könnte. Wenn ich verletzt war, hatte ich Zeit über vieles nachzudenken. Aber nie in einem negativen Mindset. Die Verletzungen waren die Schlüsselmomente, wo ich danach den nächstgrößeren Schritt gemacht habe. Durch Verletzungen wird man erst einmal zurückgeworfen, aber es sind die Momente, in den man mentale Stärke zeigen muss, sonst kommt man nicht zurück. Ich bin immer zurückgekommen. Weil ich schon früh gemerkt habe, wenn ich die richtigen Knöpfe drücke, dann schaffe ich das auch. Jeder Mensch muss sich hinterfragen. Jeder weiß, wie weh es tun kann, durch die erste Schutzmauer der Selbstreflexion durchzugehen. 


Gab es dabei einen persönlichen Tiefpunkt oder Rückschlag?

Bei der Europameisterschaft 2008 habe ich ein Tor verschuldet. In der Presse wurde ich dafür heftig kritisiert. Daran hatte ich damals mit Anfang 20 schon mächtig  zu knabbern. Aber ich bin jemand, der aus so etwas brutale Stärke ziehen kann. Daraus habe ich so viel Kraft entwickelt, dass ich im Finale einer der besten Spieler war.


Was waren die größten Schwierigkeiten in Deiner Karriere als Fußballer und Unternehmer?

Die Schwierigkeiten waren, dass ich als Profi-Fußballer und Unternehmer sehr früh erwachsen werden musste. Du verpasst eben viel, was andere junge Menschen erleben. Ich habe das ein Stück weit später nachgeholt. Für den Erfolg muss man bereit sein, viel zu investieren. Das sage ich auch immer allen, die Startups gründen: Die ersten drei Jahre werden am schrecklichsten. Wenn Du in die Eigenverantwortung gehst und gründest - das ist brutal. Nur Verzicht. Die haben kein Leben gehabt, nur Arbeit, nur ihre Firma. 


Welche drei Dinge haben Dich bei Deiner Transformation unterstützt?

Diverse Bücher waren dabei meine Wegbegleiter. Eines davon ist der Klassiker: The Big Five for Life. Das Buch hat mir sehr viel mitgegeben. Ich glaube auch, die Bücher finden einen selber und nicht umgekehrt. Ganz entscheidend ist natürlich auch das Umfeld. Egal, ob das Familie oder Freunde sind. Du brauchst ein Umfeld, dass Dich spiegeln kann. Manchmal braucht man einfach Input von Menschen, die einen wirklich gut kennen. Selber reflektieren, aber auch reflektiert zu werden vom eigenen Umfeld ist extrem wichtig. Das ist für eine Transformation ganz entscheidend. Und nicht den einfachen Weg gehen. Viele wollen ja den Weg des geringsten Widerstands gehen, aber der leitet einen oft das gesamte Leben lang auf den falschen Pfad. Einfach schauen, was brauche ich, um glücklich zu werden. Immer mit dem Ziel, wie bin ich mit mir zufrieden. So viele Menschen laufen vor sich selber weg. Flüchten sich in  Termine und wollen bloß nicht über sich nachdenken. Und das endet nie gut. Transformation ist sehr wichtig. Jeder aber muss bei sich bleiben. Bei seinen Stärken, Qualitäten und Talenten. 


Was bedeutet für Dich persönlich Glück?

Für mich ist Glück oder glücklich sein kein Zustand, der auf dem Punkt ist. Sondern eher ein Regler. Alles, was man tut, muss dazu beitragen, dass man sich in seinem persönlichen Glücks-Korridor bewegt. Was mich motiviert, ist folgender Gedanke: Ich stelle mir mein Leben bildlich wie ein Museum vor. Und Du kannst ja immer in Dein Museum reingehen und es Dir angucken. Wenn Dir dort etwas nicht gefällt, dann ändere es einfach. Das ist meine Motivation, dass mir keiner meine weißen Seiten im Buch vollschreibt. Die muss ich schon selber texten. Und dass ich eines Tages, wenn ich durch mein Museum gehe, dass ich dann lache und nicht vor Enttäuschung weine. Was ich sagen will: Man muss bei sich selber einfach anfangen. Das habe ich von meinen Eltern gelernt: Immer auf sich selber schauen. Und dann wirst Du auch überdurchschnittlich glücklich sein. 


Warum hast Du so ein besonderes Verhältnis zu Hamburg?

Das hat viele Gründe. Ich bin als Rheinländer ja auch in München gewesen, war auch schön dort. Aber als ich in Hamburg war, losgelöst von meiner sportlichen guten Verfassung zu dem Zeitpunkt, Hamburg hat es mir immer angetan. Hamburg hat einfach eine Kraft, eine Anziehung. Die Stadt mit dem Wasser, mit dem Grünen, mit der Struktur. Hamburg ist so vielfältig! Deshalb bin ich verliebt in Hamburg und wohne hier seit 13 Jahren. 


Was möchtest Du unseren Lesern zum Schluss noch mitgeben?

Achtet auf euren Gemüse-Haushalt!







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