Sie polarisiert mit ihren Youtube Clips wie kaum jemand sonst in
Deutschland. Die kurzen Videos zeigen immer, wie Carmen Goglin lacht.
Wenn sie um Bäume lacht oder lachend einen imaginären Rasenmäher über eine Wiese schiebt. Die 56-jährige Reutlingerin hat als Therapie mit Lachyoga angefangen, um ihre Depression zu bekämpfen. Goglin hat sogar eine Lach-Yoga Ausbildung gemacht und stellt jetzt Übungs-Videos online. Als Reaktion bekam sie viele Hasskommentare und ein Rapper parodierte sie. Goglin aber lacht weiter. Auch wenn ihr das manchmal schwerfällt. Wir haben mit Carmen Goglin über Depression, Lach-Übungen und mentale Stärke gesprochen und eine starke, mutige Frau kennengelernt.
Carmen, Du bist Lachtrainerin. Wie ist es dazu gekommen?
Die Idee dazu entstand vor ungefähr zehn Jahren. Ich war wegen schwerer
Depression in Therapie, aber mir ging es einfach nicht besser. Die Energie hat
mir gefehlt oder anders gesagt: Ich hatte keine Kraft zum Lachen. Dann habe
ich angefangen zu recherchieren, was mir helfen könnte, und bin auf das
Lach-Yoga gestoßen. Schon beim ersten Wochenende der Ausbildung habe
ich einige Momente gespürt, in denen meine Lebensfreude
zurückgekommen ist. Beim Lachen ist es nämlich so: Du kannst nicht
gleichzeitig Grübeln und Lachen. Beim Lachen bist Du im hier und jetzt. Für
mich ist die Lach-Yoga Ausbildung eine kraftvolle Methodik. Deshalb habe ich
die Reutlinger Lachschule gegründet. Aus beruflichen Gründen konnte ich
meinen Lach-Treff nicht mehr physisch machen. Da habe ich vor rund drei Jahren angefangen, Videos zu drehen und auf Youtube zu stellen.
Kannst Du kurz schildern, wie so eine Lach-Yoga-Ausbildung abläuft?
Ich habe eine Ausbildung bei dem indischen Dr. Madan Kataria gemacht. Er
ist Arzt und hat vor über 20 Jahren einen Artikel über das Lachen geschrieben und anschließend das Lach-Yoga konzipiert. Insgesamt waren
wir bei der Ausbildung 60-70 Lach-Yogis aus unterschiedlichen Nationen.
Spezielle Lach-Übungen gehören zum Lach-Yoga, aber auch Atemübungen
aus dem Yoga. Deswegen heißt es auch Lach-Yoga. Auch Klatsch-Übungen
gehören dazu und Anfeuerungsrufe. Diese vier Elemente gehören
zusammen und so baue ich auch meine Kurse auf. Natürlich geht es dann
auch darum, sich mutig vor eine Gruppe zu stellen und diese Lach-Übungen
zu zeigen. Da gehört schon Überwindung dazu. Ich bin ehemalige Lehrerin,
deshalb ist es mir vielleicht leichter gefallen, mich mit solchen Übungen vor
eine Gruppe Menschen zu stellen.
Die Depression war also der Beginn Deiner Transformationsgeschichte.
Was hat das Lachtraining mit Dir gemacht?
Bei einer Depression geht man durch Höhen und Tiefen. Nach einem Mal
Lachen ist man natürlich nicht transformiert und auf einmal glücklich. Was
ich definitiv sagen kann: Das Lachen hat mich immer wieder begleitet. Das
Lachen hat mich aus Tiefen heraus geholt. Lachen ist eine so tolle und
effektive Begleitung im Alltag. Lachen schenkt so viel Energie und ist eine so
kraftvolle Unterstützung. Es geht so einfach, so leicht und ist sehr
wirkungsvoll, und es braucht nur die Entscheidung. Deshalb will ich dieses wirkungsvolle Konzept auch so vielen Menschen wie möglich vorstellen. Das ist meine Mission. Auch, wenn ich leider mit Hassnachrichten leben muss.
Gab es bei Deiner Transformationsgeschichte bestimmte
Schlüsselmomente?
Es gibt immer wieder so Momente, in denen ich ein Stück weiter gekommen bin. Wenn man eine Depression hat, dann muss man sich auch mit seiner
Geschichte auseinandersetzen. Mit seiner Familie, mit seinen Glaubenssätzen, die einen geprägt haben. Man muss die Muster verstehen,
die man sich angeeignet hat. Da gab es bei mir immer so Puzzleteile, wo ich
spezielle Punkte in meinem Verhalten verstanden habe. Ein großer
Schlüsselmoment in meinem Leben war natürlich auch der Tag, als diese
Parodie und dann die vielen Memes über mich viral gingen.
Nach so einer Parodie ist Dir das unbeschwerte Lachen bestimmt schwer
gefallen. Was sind bis heute die größten Schwierigkeiten für Dich?
Die Hasskommentare machen mich schon traurig. Ich wollte nicht bekannt
werden, ich wollte den Menschen nur helfen! Ich wollte den Menschen dieses
tolle und effektive Tool an die Hand geben, um sich besser zu fühlen. Und
diesen ganzen Hass, den ich dann geerntet habe. Das war für mich echt eine
Herausforderung.
Was sagst Du rückblickend über die Parodie vom Rapper Finch Asozial?
Ich sag es einmal so: Es ist nicht easy, eine Parodie über sich selber zu sehen.
Ich war im ersten Moment wirklich geschockt. Ich habe dann schon überlegt,
wie ich damit umgehen soll. Dann habe ich aber begriffen, dass er mir
dadurch gewissermaßen die Tür geöffnet hat. Denn: Über Nacht hatte ich
viele tausende Aufrufe meiner Videos.
Wie hat sich Dein Leben seit dem Lach-Training verändert?
Anfang November 2020 hatte ich 80 Abonnenten auf Youtube, das waren
hauptsächlich Freunde und Bekannte. Damals habe ich mir keine Gedanken
darüber gemacht, dass ich einmal so in den Blick der Gesellschaft geraten
würde. Ich war naiv, das muss ich zugeben. Ende November kam die Parodie
von dem Rapper und dadurch hat sich vieles verändert. Ich war in vielen
Fernsehsendungen, in Radioshows, Journalisten schreiben über mich in
Zeitungen. Das Ganze hat allerdings zwei Seiten. Einerseits bin ich darauf
natürlich sehr stolz und freue mich, dass ich vielen Leuten helfen kann. Und
ich glaube, ich bringe auch viele Leute zum Lachen. Aber es ist auch ein
Stück weit schwer, sich in der heutigen Zeit öffentlich zu präsentieren. Das ist
nicht so einfach. Ich bekomme wirklich unmögliche, verletzende
Kommentare. Ich kann nicht sagen, dass es mir egal ist. Ich habe das lange
wirklich persönlich genommen. Heute kann ich so etwas manchmal mit
einem witzigen Kommentar einfach kontern. Es sind ja nur Worte, die können
mir nichts tun, wenn ich es nicht zulasse.
Wie reagieren Deine Familie und Freunde auf Deine Videos?
Am Anfang, als ich mit Lach-Yoga angefangen habe, wurde ich etwas
belächelt. Inzwischen unterstützen sie mich und sind sogar stolz auf mich. Ich
habe es so viele Jahre jetzt durchgezogen und bin trotz allem drangeblieben.
Ausdauer ist so wichtig im Leben.
Kannst Du einmal drei Dinge nennen (Materielles, Dinge, Personen) die
Dir Kraft geben und Dich bei Deiner Transformation unterstützt haben?
Auf jeden Fall muss ich hier an erster Stelle meine Tochter nennen. Mit ihr
habe ich einen sehr engen Kontakt und sehr viele anregende Diskussionen.
Als zweites natürlich das Lachen an sich, das mir aus einer schwierigen Zeit
heraus geholfen hat. Was mir außerdem Kraft gegeben hat: Der Glaube an
mich selbst. Der Glaube, dass ich alles schaffen kann. Und wenn ich
mitbekomme, wie ich Menschen mit meinen Übungen helfen kann, dann
macht mich das sehr stolz.
Was rätst Du Leuten, die ihre Lebensfreude verloren haben?
Erstmal hilft in sich hineinhören und sich darüber im klaren werden,
was einem bisher im Leben Freude gebracht hat. Und dann einfach einmal
offen sein für neue Dinge. Neues auszuprobieren ist so wichtig. Aber, und das
musste ich auch auf die harte Weise lernen: Man muss alle Gefühle zulassen.
Und dazu zählt eben auch Trauer, Angst und Wut und das kann sehr weh tun. Man sollte niemals
Gefühle verdrängen, das holt einen früher oder später immer wieder ein.
Was möchtest Du unseren Lesern noch mitgeben?
Akzeptiere Dich so, wie Du bist. Und achte darauf, dass Du Dinge mit Freude
machst! Man darf sich immer wieder bewusst machen: Wir haben unser
Leben selber in der Hand. Wir können Dinge verändern. Und vergiss nie zu
Lachen! ;-)
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