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Writer's pictureToni Herms

Was macht Glück mit unserem Gehirn?



Diese Frage beschäftigt Forscher seit Jahrzehnten. Auch Prof. Dr. med. Gereon Nelles, Facharzt für Neurologie in Köln und zugleich Vorstandsmitglied des “Berufsverband Deutscher Nervenärzte”.  Wir haben den ehemaligen Harvard Medical School Stipendiaten gefragt, wie  Neurologen Glück definieren und was dabei in unserem Gehirn passiert.


Herr Prof. Nelles, gibt es den Begriff Glück überhaupt in der Neurowissenschaft? Und wenn ja, was verstehen Neurologen unter Glück?

Den Begriff  “Glück” gibt es schon sehr lange in der Neurowissenschaft. Seit Jahrzehnten ist das ein Begriff, der auch “Human Experimental” bearbeitet wird. Das bedeutet, dass es sich dabei um ein Forschungsfeld handelt, das auch an Menschen intensiv bearbeitet wird. Konkret untersucht wird dabei der neurophysiologische Vorgang des Gefühls, den wir als Glück bezeichnen. Dazu gibt es eine ganze Reihe an interessanten Daten, die uns ein bisschen besser verstehen lassen, wie Glück biologisch verstanden werden kann. Es gibt bestimmte Zentren im Gehirn, die dabei eine wichtige Funktion haben. Das ist einmal der Frontale Cortex. Das ist sozusagen die untere Hirnregion, die gewissermaßen hinter dem Auge liegt. Das ist ein ganz wichtiger Bereich. Und dann gibt es auch im Hirnstamm und in den tieferen Hirnschichten Regionen, die an der Vermittlung dieses Empfindens eine bedeutende Rolle spielen. 


Kann man sein eigenes Glück beeinflussen?

Diese Frage ist eher philosophischer Natur und aus neurologischer Sichtweise nicht messbar. Man kann aber bestimmt sein Glück beeinflussen. Es gibt eine Fülle von Ratgebern und Leitfäden. In der Literatur findet man eine Menge Material, wo die Autoren für sich in Anspruch nehmen, Hilfestellung bei den sogenannten “Glücks-Momenten” zu geben. Aber was jeder individuell unter Glück versteht, ist sicherlich sehr variabel. 


Kann man sein Gehirn trainieren, um glücklicher zu werden?

Man kennt diese Zentren im Gehirn, von denen ich gesprochen habe. Man kennt die Botenstoffe (die Überträgerstoffe), die an dem Glücksempfinden eine wichtige Rolle spielen. Da ist zuerst der Botenstoff oder Neurotransmitter Dopamin zu nennen. Aber man kann nicht wirklich eine Empfehlung aussprechen, wie man das jetzt interventionell nutzt. Anders formuliert: Wie man das Gehirn - um das übertrieben zu sagen - manipulieren könnte, damit man mehr Glücksempfinden hat. Da würde man sehr schnell in den Bereich der Drogenmedizin geraten. Wir wissen, dass Morphine und andere pharmazeutische Stoffe Rezeptoren stimulieren, die sehr stark ein Glücksgefühl auslösen können. Aber das ist nichts für den täglichen Gebrauch. Anders formuliert: Bis dato gibt es  keine Technik oder Verhaltensweisen, die wissenschaftlich belegt dauerhaft glücklicher machen. 


Was passiert im Gehirn, wenn wir glücklich sind? 

Wenn wir glücklich sind, dann empfängt das Gehirn die Nachricht, dass wir etwas richtig und gut gemacht haben. Und dieses Gefühl wird sehr stark  durch den Neurotransmitter Dopamin vermittelt. Den Dopamingehalt in den Zellen kann man gut messen und der ist in so einer Situation deutlich höher bzw. aktiver. Dazu gibt es auch gute  Studien und Tests. Ein zweiter wichtiger Neurotransmitter ist das Serotonin, der mit dem Dopamin Hand in Hand arbeitet. Serotonin ist auch der wichtigste Angriffspunkt für Menschen, die wenig Glücksempfinden haben. Durch die Einnahme von Medikamenten  mit Serotonin ist es den Patienten dann möglich, sich glücklicher zu fühlen. 


Was löst ein Glücksgefühl im Gehirn aus?

Aus Sicht der Hirnforschung wird das Glücksgefühl häufig sehr eng mit Motivation und Belohnung in Verbindung gesetzt. Es gibt da auch unter Neurowissenschaftlerin durchaus unterschiedliche Ansichten. Die einen sagen, das Empfinden von Glück kann aus sich selbst heraus entstehen. Andere sagen, dass das Glücksgefühl ein Produkt dessen ist, was vorausgeht. Dass wir uns etwas vornehmen, das erreichen und belohnt werden. Dass wir Motivation für etwas entwickeln und dann im Zusammenhang mit der Belohnung ein Glücksempfinden auslösen. Das sind zwei verschiedene Richtungen, die gleichwertig nebeneinander existieren. Ich glaube schon, dass das Konzept der Motivation ganz wichtig ist. Denn wir kommen ja nicht passiv in Glücksmomente herein. Sondern wir tun etwas dafür. Egal, ob wir jetzt in den Urlaub fahren oder ob wir in ein Restaurant gehen und ein gutes Essen genießen. Eine Handlung wird dem ja vorausgesetzt und die hat sehr stark mit Motivation zu tun. Denn: Motivation ist das, was uns letztlich antreibt, etwas zu tun. 


Inwiefern spielt unsere Genetik oder Umwelt eine Rolle beim Glücklichsein?

Die Genetik spielt eine ganz wichtige Rolle im Bezug auf die Disposition, also auch auf die Ausstattung des Rezeptorsystems im Gehirn. Dazu gibt es auch inzwischen sehr gute Untersuchungen in Familien. Der Hinweis, dass wir durch bestimmte Medikamente ins Hormonsystem eingreifen können und damit Gefühlszustände verändern können, ist ein starker Hinweis darauf, dass das eine genetische Prägung hat. Und die Umwelt spielt auch eine ganz entscheidende Rolle für das Glücksempfinden. Also äußere Einflüsse wie Aktivitäten, Beruf, soziales Netzwerk zum Beispiel. Ich denke, dass das genauso wichtig ist wie die Genetik. Was dabei das Entscheidende ist, kann ich nicht sagen. Es gibt ja auch immer wieder genug Beispiele von Menschen, die in äußerst schweren äußerlichen Umweltbedingungen trotzdem in der Lage sind, glücklich zu sein. Und umgekehrt auch. Insofern sind diese Aspekte sehr stark miteinander verknüpft und treten in Wechselwirkung zueinander.


Wann ist ein Mensch wissenschaftlich eigentlich glücklich?

Das kann man so nicht beantworten. Aber aus Sicht der Hirnforschung wird das Erleben von Glücksgefühlen sehr an die Verbindung mit Motivation und Belohnung gebracht. Und das gründet sich im wesentlich auf die Regionen im Gehirn, die bei den Vorgängen mit Belohnung und Motivation zusammenhängen bzw. eine besondere Aktivität haben. Und die uns dann letztendlich das Spüren von Glücksempfinden vermitteln. 


Was raten Sie Menschen, die unglücklich sind?

Das Wichtigste ist, glaube ich, zu hinterfragen, was die Ursache vom eigenen Unglücklichsein ist. Stichwort Selbstreflexion: Woher kommt dieses Gefühl? Gibt es einen  oder mehrere Konflikte? Das aufzudecken ist dann die Arbeit eines Psychotherapeuten. Manchmal gibt es diese Konflikte,  die entweder offenkundig oder versteckt sind. Aber die man grundsätzlich angehen und oft lösen kann. Und das führt dann dazu, dass man das Glücksempfinden deutlich verbessern kann. 


Gibt es neue Erkenntnisse der Glücksforschung?

Es gibt praktisch wöchentlich oder monatlich neue Berichte über die vielfältigen und faszinierenden Funktionsweisen des Gehirns und die betreffen auch die Glücksforschung. Im Moment glaube ich, sind die wichtigsten Erkenntnisse, dass es im Gehirn bestimmte Zentren gibt, die durch bestimmte Neurotransmitter reguliert werden. Und die an dem Glücksgefühl wesentlich beteiligt sind. Wir sind noch nicht so weit, dass wir das außerhalb von Substanzen manipulieren können. Ganz wichtig ist auch,  die Möglichkeiten, die wir haben, vor allem im Bereich der verhaltensbasierten Maßnahmen des täglichen Lebens, gut zu nutzen.


Vielen Dank für das Interview!





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